Tacuinum Sanitatis in Medicina

Buchtitel
Tacuinum Sanitatis in Medicina
1
veröffentlicht: 2023
Bibliotheks-ID:
Zustand:
1000589678935254
Sehr Gut
Genre
Medizin / Botanik / Alchemie
Stil
Gotisch
Typ
Faksimile
Autoren
Wohl Giangaleazzo Visconti
Jahrhundert
XIV
Land
Italien
Anzahl
214 Seiten / 33,2 × 23,0 cm
Jahr
1400
Beschreibung
Tacuinum Sanitatis in Medicina
Eines der ästhetischsten Beispiele für den hervorragenden Ruf der arabischen Heilkunst im Mittelalter ist das „Taqwim es-sihha“ des Arztes Ibn Butlan, der dieses gattungsbildende Werk um die Mitte des 11. Jahrhunderts in Bagdad oder Antiochien verfasste. Der Titel bedeutet auf Arabisch etwa „Tabellarische Übersicht der Gesundheit“. Ibn Butlan stellte über 200 Objekte unter der Hinsicht ihres Einflusses auf die menschliche Gesundheit zusammen: von Nahrungsmitteln wie Kamelfleisch und Melonen über die Jahreszeiten bis zur Musik. Der unbebilderte arabische Text wurde am Hof Manfreds von Sizilien (1258–1266) ins Lateinische übersetzt und der Titel als „Tacuinum sanitatis“ latinisiert. In dieser prachtvollen Handschrift gleichen die Bilder Tafelgemälden. Sie erzählen dem Betrachter vollständige Geschichten und machen dabei immer eines deutlich: den Zusammenhang und die Bedeutung der Objekte für die Gesundheit des Menschen.
Ein medizinisches Hausbuch mit 206 Miniaturen
Eine der schönsten und am reichsten ausgestatteten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek ist das Tacuinum sanitatis in medicina, „Tabellarische Übersicht der Medizin“. Dieses aufwendig bebilderte heilkundliche Handbuch war vor allem für den Laien gedacht, genauer für Angehörige des Hochadels oder reiche Patrizierfamilien, die sich ein so kostspieliges „Nachschlagewerk“ für die Haushaltsführung, das Gesundheitswesen und die Krankenpflege leisten und es auch lesen konnte.
Der Buchtyp geht auf eine arabische Quelle zurück, die vom christlichen Arzt Ibn Butlan im 11. Jh. verfasst wurde und unter dem Titel Taqwim es-sihha bekannt war. Die arabische Heilkunst, die viel antikes Wissen sicherte, hatte im Mittelalter entscheidenden Einfluss auf die abendländische Medizin und besaß einen hervorragenden Ruf. Die lateinische Übersetzung, die den Text den Gebildeten des europäischen Mittelalters überhaupt erst zugänglich machte, fand eine weite Verbreitung, wovon noch heute mehrere erhaltene Handschriften zeugen.
Während das berühmte Werk zunächst nur aus synoptischen Tabellen ohne Illuminationen bestand, wurde es ab dem 14. Jh. reich mit großen Bildern ausgestattet, so dass die Texte auf wenige Zeilen verkürzt wurden. Eine der ältesten und sicherlich auch schönsten Handschriften dieser Art ist das hier vorgestellte Tacuinum, das auf 206 ganzseitigen, farbenprächtigen Miniaturen all das abbildet, was zur Zeit der Entstehung der schriftlichen Vorlage mit der Gesundheit des Menschen und seinem Wohlbefinden im Zusammenhang stand.
Ein Zeugnis der berühmten orientalischen Heilkunst
„Tacuinum“ ist die latinisierte Form des arabischen Wortes "Taqwim", das unübersetzt geblieben ist. Da das Werk insbesondere in Italien eine weite Verbreitung fand, wurde das Wort „Tacuinum“ auch in die italienische Volkssprache übernommen: „Tacuino“ bedeutet heute im Italienischen soviel wie „Notizbuch“.
Der im Mittelalter sehr bekannte Arzt Ibn Butlan († um 1065), mit vollem Namen Abū l-Ḥasan al-Muḫtār bin al-Ḥasan bin ʿAbdūn bin Saʿdūn bin Buṭlān, verfasste im 11. Jh. neben mehreren anderen medizinischen Werken das umfangreiche Taqwim es-sihha, womit er große Berühmtheit erlangte. Im 13. Jh. wurde dieses aus synoptischen Tabellen ohne Illustrationen bestehende Werk wahrscheinlich am Hof König Manfreds von Sizilien ins Lateinische übersetzt, woraufhin es sich im lateinischen Europa immer weiter verbreitete und schließlich einen nachhaltigen Einfluss auf die abendländische Medizin hatte.
Ein prachtvolles Zeugnis der Buchmalerei
Das Werk ist nicht nur für historisch interessierte Mediziner und Pharmazeuten von Bedeutung, sondern bildet wegen seiner über 200 Miniaturen auch ein umfangreiches und faszinierendes Anschauungsobjekt für Liebhaber und Forscher der Buchmalerei. Darüber hinaus vermittelt es in seinen Darstellungen ein plastisches Bild alter italienischer Kultur sowie vielen Aspekten des täglichen Lebens, wodurch es auch eine reichhaltige kulturhistorische Quelle darstellt.
Das Tacuinum dürfte gegen Ende des 14. Jh. im Auftrag Giangaleazzo Viscontis (1351–1402) in der Werkstatt von dessen Lieblingskünstler Giovannino de' Grassi (1340er–1398) geschaffen worden sein. Das Wappen auf fol. 3v lässt darauf schließen, dass die luxuriöse Handschrift ein politisches Geschenk an ein Mitglied der Familie Speroni aus Padua war, die nach Giangaleazzos Eroberung Veronas am Mailänder Hof verkehrten. Sie wurde von zwei talentierten Malern angefertigt, die besonders durch ihren Naturalismus und ihre Beobachtungsgabe überraschen. Die Farben sind sehr kräftig gewählt und verleihen den Miniaturen eine bezaubernde Frische und Lebendigkeit.
Ein medizinisches Bilderbuch
In den 206 ganzseitigen Miniaturen werden zahlreiche materiae medicae dargestellt, wozu nicht nur Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und verarbeitete Arzneien gehörten, sondern auch Winde, Jahreszeiten und andere Umweltfaktoren wie Emotionen und Freizeitbeschäftigungen. Ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus werden auf Basis antiker medizinischer Lehren beschrieben. So wird in wenigen Zeilen unter jedem Bild der Nutzen und Schaden der jeweiligen materia medica für verschieden konstituierte Menschen knapp erläutert.
Somit ist das Tacuinum ein medizinisches Bilderbuch, das zwar in der Tradition antiker Herbarien steht, aber mit seinen dominierenden Miniaturen zu einem neuen Genre medizinischer Codices gehört. Die Besonderheit der bildlichen Darstellungen liegt dabei darin, dass die einzelnen materiae medicae nicht isoliert abgebildet werden, sondern – wie auch im Text – der Zusammenhang mit dem Menschen im Vordergrund steht. Immer wird dessen Beschäftigung mit den jeweiligen Gewächsen, Tieren und anderen Dingen gezeigt. Allerdings ging es in der Darstellung nicht um eine genaue Wiedererkennbarkeit oder genaue Illustration der im Text beschriebenen Ratschlälge hinsichtlich Zubereitung und Einnahme. Vielmehr entstehen naturalistische Genreszenen, die mit ihrem reichen Fundus an Realien viel von den Lebensgewohnheiten und Lebensumständen der Bürger einer spätmittelalterlichen italienischen Stadt vermitteln und den ursprünglichen aristokratischen Betrachtern ein idealisiertes Bild ihres Herrschaftsgebiets präsentierten.
Neben dieser großen kulturhistorischen Bedeutung liegt der besondere Reiz des Tacuinums für den heutigen Betrachter in der Möglichkeit, zeitgenössische Heilmittel aus der Natur und Praktiken für eine gesunde Lebensführung direkt mit den vor nahezu 600 Jahren angewandten materiae medicae zu vergleichen.
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